Montag, 27. Februar 2017

1975 - 2012 Die Sprache der immer wiederkehrenden Träume

Das Haus ihrer Eltern. Das Grundstück ihrer Eltern. Es ist dunkel, es ist Abend und sie steht allein auf der Wiese. Schaut hinüber zu dem Tor, hinter dem ein Mann steht, der auf sie schaut. Er ist vollständig in Schwarz gekleidet und über seinen Körper laufen weiße Zahlen. Sie spürt die Bedrohung, sie fürchtet sich vor ihm und denkt: "Er kann ja nicht durch das Tor." Da wirft er mit einem Messer nach ihr und trifft ihre rechte Hand. 
Sie schreit und schreit - und als sie schweißnass erwacht, schmerzt ihre rechte Hand. 
Dieser Traum begleitet sie jahrelang, er wiederholt sich wieder und wieder, so lange, wie sie Kind ist. 


***

Da war ein Mann, er sah gar nicht aus wie ihr Mann, er sprach auch nicht wie ihr Mann – und dennoch war er es. Sie saßen nebeneinander, irgendein Lokal, sie erinnert sich an helle, warme Orangefarben. Die ganze Zeit über hat er sie angelächelt, es lag eine unglaubliche Zuneigung, Wärme zwischen ihnen, obschon sie einander im Traum überhaupt nicht berührten. Und er sagte: “Lass uns heiraten.” Und sie antwortete: “Wirklich? Meinst du das wirklich?” Und er lächelte immer nur die ganze Zeit und dann nahm er sie an die Hand. “Ich meine immer, was ich sage.”
Von einem Moment auf den anderen fand sie sich wieder auf einem Marktplatz, inmitten einer Menschenmenge – und dort wurden die Menschen mit Schaufeln erschlagen, während sie flüchtete.



***

Sie irrte durch die Stadt, eine ihr völlig fremde Stadt, sie schaute in Häuser und Passagen hinein, sie erkannte nichts davon, sie fand den Weg nicht. Und mit einem Mal war ihr Mann da, ihr Mann und dieser Jeep, von dem er sagte: „Fahr einfach“, obwohl er doch weiß, dass sie es einfach nicht mag, mit so großen Autos zu fahren.
Doch dann sind sie eingestiegen, sie beide und irgendwie waren da noch mehr Menschen mit im Jeep, Menschen, deren Gesicht sie nicht erkannte, Menschen, die sie einfach nicht kannte.
Und sie ist losgefahren, mit einem Mal mitten im Wald, mitten im Dickicht, und wie sie das Fahrzeug auch dreht und wendet, sie kommt nicht voran, sie fährt sich fest, sie kommt nicht mehr heraus – und aus ihren Augen springen Wuttränen: „Ich habe dir doch gesagt, dass ich es verdammt noch mal nicht kann!“




***

Ein Besuch mit ihrem Mann im Tierheim. Zwei Hunde wie zwei Brüder, zwei süße kleine hilflose Hunde, die zueinander gehören, die man eigentlich nicht trennen darf – und doch können sie nur einen Hund mitnehmen.
„Wir holen dich nach“, verspricht sie dem anderen Hund.
Und irgendwann ist sie wieder allein im Tierheim, sie holt den zweiten Hund – und dann steht da dieser Mann vor ihr, unwirklich groß und breit, ein grobnarbiges Gesicht, dunkle Haare, fleischige Lippen, und er steht so nah vor ihr, er bedrängt sie und sie weiß genau: Sie kann sich hier aus eigener Kraft nicht befreien.
Also zerrt sie die Schubladen des Apothekenschrankes neben ihr auf, sie zerrt alle möglichen Kräuter, Kügelchen heraus, ähnlich einem Pfefferkorn, sie schleudert es diesem Mann in sein Gesicht, sie wischt es ihm in die Augen – doch der lacht nur und packt grob nach ihr.

Sie ist aus dem Schlaf geschreckt.
Seit den letzten Träumen, die so bedrohlich wirken, ist ihr aufgefallen, dass sie in solchen Situationen immer versucht, sich gewaltsam aus diesem Traum zu reißen. So als wäre ihr bewusst, dass sie träume und so als versuche ihr Verstand zu sagen: „Wach auf! Öffne deine Augen! Bewege dich, damit du erwachst!“ – und mit zumeist einer Armbewegung erwacht sie dann auch.
Sie spürt das Pochen ihres Blutes am Hals. Der Blick auf das Zimmer, schon erhellt von der Morgensonne, die Ruhe in diesem Zimmer, die Behaglichkeit, all das beruhigt sie.
Es ist doch alles in Ordnung. Oder?

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